Ein einziges, unbedachtes Wort – oft nur ein hörbares Nicken, ein schnelles „Ja, passt schon“ oder „Ja, gerne“ – kann aus einem harmlosen Anruf einen rechtsgültigen Vertrag machen.
Die Werbeanrufer an der anderen Leitung wissen genau, wie sie uns in die Enge treiben: Sie nutzen Überrumpelung, schnelle Sprechweise und eine scheinbar harmlose Frage, um unser „Ja“ als formelle Zusage zu protokollieren. Doch wie bindend ist dieser mündliche Handschlag wirklich? Reicht das bloße „Ja“ am Telefon, um Sie für Monate oder Jahre an einen Stromanbieter, einen Mobilfunkvertrag oder ein Zeitungsabo zu ketten?
Die Antwort ist ein juristisches Minenfeld: Grundsätzlich bindet es Sie! Aber zum Glück hat der Gesetzgeber den Verbrauchern einige starke Schutzschilde in die Hand gegeben, die diesen „Sekunden-Vertrag“ in vielen Fällen wieder unwirksam machen. Wir erklären Ihnen die genaue Rechtslage und warum Sie bei bestimmten Anrufen niemals „Ja“ sagen sollten.
Aktuell gilt: die rechtliche Lage komplex und mit erheblichen Beweisschwierigkeiten sowie besonderen Verbraucherschutzvorschriften verbunden, insbesondere bei sogenannten Fernabsatzverträgen, die per Telefon abgeschlossen werden. Die folgende Darstellung beleuchtet die rechtlichen Grundlagen und die wichtigsten Fallstricke für Verbraucher.
I. Die Grundsätze des Vertragsrechts
In Deutschland gilt der Grundsatz der Formfreiheit ($311$ BGB). Das bedeutet, Verträge können grundsätzlich formlos geschlossen werden, also mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten (Konkludentes Handeln).
1Zustandekommen eines Vertrages
Nach deutschem Recht kommt ein Vertrag durch zwei übereinstimmende, aufeinander bezogene Willenserklärungen zustande, wie in den Paragraphen $145$ ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs ($BGB$) festgelegt. Dabei stellt die erste Willenserklärung – das Angebot ($145$ BGB) – die auf den Vertragsschluss gerichtete Äußerung dar. Die zweite Erklärung ist die Annahme ($147$ BGB), also die vorbehaltlose Zustimmung zu diesem Angebot. Das bloße „Ja“ am Telefon kann rechtlich die Annahme eines zuvor vom Anrufer formulierten Angebots darstellen und somit den Vertrag schließen. Dies setzt voraus, dass der Vertragspartner die sogenannten Essentialia Negotii – die wesentlichen Vertragsbestandteile wie Leistung, Gegenleistung und die Identität der Vertragspartner – klar und deutlich benannt hat.
Obwohl dieses mündliche „Ja“ rechtlich bindend sein kann, liegt der größte Haken bei mündlichen Verträgen in der Beweisführung. Im Falle eines Rechtsstreits muss diejenige Partei, die sich auf den Vertragsschluss beruft, beweisen können, dass erstens ein Angebot mit klar definierten Konditionen gemacht wurde, zweitens die Annahme dieses Angebots (das „Ja“) erfolgte und drittens sich beide Parteien über die wesentlichen Vertragspunkte (Essentialia Negotii) einig waren. Ohne eine rechtlich einwandfreie Tonaufnahme oder eine nachträgliche schriftliche Bestätigung ist dieser Beweis oft kaum zu erbringen. Aus diesem Grund versuchen viele Unternehmen, die Bindungswirkung des mündlichen „Ja“ durch nachfolgende schriftliche Auftragsbestätigungen oder durch die Aufnahme des Telefongesprächs (sogenanntes „Voice-Recording“) abzusichern.
Generell ist dieser Bereich also nach wie vor ein Problem und für viele Endkunden nur schwer zu durchschauen. Die Verbraucherzentrale fordert daher mehr Schutz für Verbraucher in diesem Bereich:
In den vergangenen Jahren wurden bereits gesetzliche Regelungen für einzelne Sektoren eingeführt. Im Bereich Energie gibt es ein Textformerfordernis und im Bereich Telekommunikation erhalten Verbraucher:innen eine Vertragszusammenfassung, die sie bestätigen müssen. Doch Schilderungen aus der Praxis zeigen: Dieses Schutzinstrument wird zum Teil unterlaufen. Verbraucher:innen werden beispielsweise gedrängt, ihre Vertragsbestätigung bereits während des Telefonats abzugeben – etwa durch das Anklicken eines Links, den sie kaum prüfen können. Eine informierte Entscheidung ist unter diesen Umständen kaum möglich. Solche Schwachstellen muss die Bundesregierung beheben. Eine allgemeine Bestätigungslösung für telefonisch geschlossene langfristige Verträge ist ein wichtiger Schritt, um Verbraucher:innen besser zu schützen.
II. Besonderheiten bei Telefonverträgen (Fernabsatzverträge)
Besondere Schutzvorschriften gelten, wenn ein Verbraucher (§ 13 BGB) mit einem Unternehmer (§ 14 BGB) einen Vertrag über Waren oder Dienstleistungen per Telefon abschließt. Hier greifen die Regeln des Fernabsatzgeschäfts (§ 312c BGB).
1. Das Widerrufsrecht – Die „Rettungsleine“
Das wichtigste Recht des Verbrauchers bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossen werden, ist das Widerrufsrecht ($312$g, $355$ BGB).
- Frist: Der Verbraucher kann den Vertrag grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss (bzw. nach Erhalt der Ware und der vollständigen Widerrufsbelehrung) ohne Angabe von Gründen widerrufen.
- Belehrung: Der Unternehmer muss den Verbraucher korrekt und vollständig über dieses Recht belehren. Fehlt diese Belehrung, verlängert sich die Widerrufsfrist auf zwölf Monate und 14 Tage.
Das Widerrufsrecht entschärft die Bindungswirkung des „Ja“ erheblich, da der Verbraucher den Vertrag kurz nach Abschluss wieder auflösen kann.
2. Spezielle Formvorschriften für einzelne Branchen
In manchen Branchen hat der Gesetzgeber die Formfreiheit für das Telefonat eingeschränkt oder gar aufgehoben, um den Verbraucher besser vor Überrumpelung zu schützen:
A. Verträge über Energielieferungen ($41$ Abs. 2 EnWG)
Seit dem 26. Juli 2021 ist ein Vertrag zur Lieferung von Elektrizität oder Gas, der erstmals durch einen Anruf des Unternehmers zustande kommt, unwirksam, wenn er nicht in Textform (z. B. per E-Mail, Fax oder Brief) bestätigt wurde.
- Konsequenz: Ein bloßes mündliches „Ja“ am Telefon ist bei einem Anbieterwechsel für Strom oder Gas nicht ausreichend. Der Vertrag muss dem Verbraucher anschließend in Textform zugesandt werden, und der Verbraucher muss die Bedingungen erneut, diesmal schriftlich oder per E-Mail, bestätigen.
B. Verträge im Telekommunikationsbereich ($57$ TKG)
Im Telekommunikationsbereich (Mobilfunk, Internet, Festnetz) sind die Regelungen milder, aber der Unternehmer ist zu einer erhöhten Transparenz verpflichtet.
- Zusammenfassung in Textform: Der Anbieter muss dem Verbraucher unmittelbar nach dem Telefonat eine Vertragszusammenfassung auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. als PDF per E-Mail) übermitteln.
- Wartefrist: Der Vertrag ist erst dann wirksam, wenn der Verbraucher die Zusammenfassung in Textform genehmigt hat. Ein bloßes „Ja“ am Telefon reicht hier also ebenfalls nicht aus, um den Vertrag sofort wirksam zu machen.
III. Fazit und Handlungsempfehlungen für Verbraucher
Die Frage, ob ein „Ja“ am Telefon bindend ist, hängt maßgeblich davon ab, um welche Art von Vertrag es sich handelt und wer angerufen hat.
| Vertragsart | Gültigkeit des mündlichen „Ja“ | Erforderliche Textform-Genehmigung durch Verbraucher? |
| Generell (z. B. Kaufvertrag) | Ja, grundsätzlich bindend | Nein, aber hohes Beweisrisiko |
| Energielieferung (Strom/Gas-Wechsel) | Nein, nicht ausreichend | Ja, Wirksamkeit nur durch nachträgliche Textform-Genehmigung |
| Telekommunikation (Mobilfunk, DSL) | Nein, nicht ausreichend | Ja, Wirksamkeit nur durch nachträgliche Textform-Genehmigung |
Ihre wichtigsten Schutzmaßnahmen:
- Vorsicht bei unerbetenen Anrufen („Cold Calls“): Werden Sie von einem Unternehmen angerufen, um Ihnen etwas zu verkaufen, ist das Risiko eines ungewollten Vertragsschlusses hoch.
- Im Zweifel widersprechen: Sagen Sie im Telefonat niemals „Ja“ zu einer Frage wie „Sind Sie damit einverstanden, dass wir Ihnen die Unterlagen für den Vertrag zuschicken?“ oder „Sind Sie damit einverstanden, dass wir den Vertrag starten?“.
- Widerrufsrecht nutzen: Haben Sie unwissentlich einen Vertrag abgeschlossen, nutzen Sie das 14-tägige Widerrufsrecht. Senden Sie den Widerruf am besten per Einschreiben oder E-Mail, um einen Beweis zu haben.
- Kontrolle der Unterlagen: Bei Verträgen über Energie und Telekommunikation müssen Sie die Ihnen zugesandte Zusammenfassung aktiv genehmigen, damit der Vertrag rechtswirksam wird. Eine einfache Nichtreaktion Ihrerseits genügt oft, um den Vertrag zu verhindern.






